Die aktuelle Wirtschaftslage veranlasst viele Unternehmen über die Grenze zu schauen und dort technologisch passende Unternehmen einzukaufen. Glaubt man den Politikern, so ist durch die Harmonisierung Europas eine Investition im Ausland problemlos. Schließlich ist doch alles europaweit gleich und kleine Sprachbarrieren sind schnell überbrückt. Oder??
Als (Interim)Manager, der sowohl in Italien als auch in Deutschland aufgewachsen ist und seit vielen Jahren europaweit im Einsatz ist, möchte ich im Folgenden am Beispiel zwischen den Kulturen Norditaliens und Mitteldeutschlands aufzeigen, wo kleine Stolpersteine verborgen sind.
STRUKTUREN UND LOKALKOLORIT
Vergleicht man Norditalien mit Deutschland, so fällt auf, dass die meisten italienischen Unternehmen in ländlichen oder ländlich-geprägten Regionen liegen, auch wenn Großstädte wie beispielsweise Mailand in der Nähe liegen. Dagegen sind deutsche Unternehmen meist in urbanem Gebiet und eine gute Infrastruktur ermöglicht eine hohe Mobilität.
Die meisten norditalienischen Unternehmen sind durch Gründerfamilien geprägt und von diesen auch heute beeinflusst. Während deutsche Unternehmen meist durch ein „professionelles" Management geprägt sind bzw. durch eine stärker monetäre Orientierung aufgrund fehlender (historischer) Leitfiguren.
Diese Unterschiede führen zu einer anderen Verbundenheit der Mitarbeiter zu ihrem Unternehmen und zu einem anderen Selbstverständnis. Man ist in Italien viel stärker dem Unternehmen wenn nicht sogar der Unternehmerfamilie verbunden und auch bereit mehr für den eigenen Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen. Dies führt auch zu einem anderen Handlungsspielraum für Inhaber und Management.
MENTALITÄTSFRAGEN
Häufig ist mir bei deutsch-italienischen Managementmeetings aufgefallen, dass sich beide Parteien in und nach einem Meeting über das Verhalten der anderen aufgeregt haben. Hier ist neben Körpersprache, Redeumfang und Wortwahl auch die grundsätzliche Herangehensweise bei der Problemlösung fortwährendes Thema.
Was aus der Ferne betrachtet typische Attribute scheinen, wird dann im Alltag ein Problem. So ist für viele Deutsche die häufig als aggressiv eingestufte Wortwahl und die forsche Herangehensweise ein Problem. Die Geisteshaltung ist dabei der amerikanischen deutlich näher, wo häufig der Weg das Ziel ist und es als wichtiger eingestuft wird. „Endlich" anfangen und dann flexibel die Maßnahmen und Mittel anpassen statt zunächst alles zu durchdenken und möglichst genau zu planen. Daher ist für viele Italiener die konsenssuchende Wortwahl und die als „bedächtig" gesehene deutsche Herangehensweise Zeichen fehlender Bereitschaft sich einzubringen und zum Erfolg beizutragen. Auch führt der Wunsch nach Planungsgrundlagen und -tools häufig zur Einstufung „typisch deutsch".
Andererseits wird häufig von deutscher Seite die sofortige Zustimmung zu einer Maßnahme oder Planung auch als absolut bindendes Commitment gewertet, während die italienische Seite mit der Zustimmung die Bereitschaft zur gemeinsamen Arbeit an der Zielerreichung aber keineswegs zum Zielwert selbst meint. Insbesondere dann, wenn ein italienisches Management ein deutsches Unternehmen leitet, führt dies häufig zu der Meinung, dass die Deutschen gegen die Unternehmensziele sind und eigentlich gar kein Interesse am Unternehmen zeigen. Die Deutschen sehen in der Herangehensweise der Italiener dann den Beweis, dass diese unstetig und unzuverlässig sind.
UNTERNEHMENSKULTUR UND FÜHRUNGSSTIL
Sind deutsche Unternehmen über Jahrzehnte ein paritätisches Miteinander und einen entsprechenden Führungsstil gewöhnt, der dem einzelnen Mitarbeiter mehr Mitsprache und Entscheidungsfreiheit gewährt, ist dies in den meisten italienischen Unternehmen anders. Hier ist neben dem autoritäreren Selbstverständnis der Direktion auch noch das Senioritätsprinzip stark ausgeprägt. Dies führt - meist für den externen Betrachter nicht zwingend offensichtlich – nicht nur zu einem deutlich anderen Rollenverhalten, sondern auch zu einer deutlich anderen Kommunikation zwischen den Ebenen.
Während der italienische Arbeitnehmer Anweisungen in knapper Form akzeptiert und aus besagten Gründen zustimmt, benötigt der deutsche Arbeitnehmer deutlich mehr Informationen und möchte auch in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Besonders in den höheren Führungsebenen kommt es insbesondere bei italienischer Hoheit so schnell zu Frustrationen auf beiden Seiten. Während sich deutsche Manager bevormundet oder ausgeschlossen fühlen, sind italienische Manager fassungslos über die Notwendigkeit der „endlosen" Diskussionen. Besonders bei größeren Veränderungen oder Entscheidungen fehlt diese in Deutschland selbstverständliche Betrachtung aller Facetten und Meinungen, die dann zur konsensfähigen Entscheidung führen soll. Die Deutschen werden dann häufig als starr und unflexibel mit dem Hang zum Diskutieren gesehen.
Ein weiterer deutlicher Unterschied zwischen beiden Managementkulturen liegt in der Kommunikation der Ebenen. Während in deutschen Unternehmen top-down eine klare stufenweise Kommunikation vorherrscht, wird in den meisten italienisch geführten Unternehmen vom Management häufig auf die direkt umsetzende Ebene zugegangen auch wenn dabei Managementebenen übersprungen werden (dies gilt vor allem für inhabergeführte Unternehmen).
BRÜCKEN BAUEN
Häufig führt bereits das Erkennen der Kultur- und Temperaments-Unterschiede zu einer Verbesserung des Betriebsklimas. Neben sprachlichen Barrieren, die manchmal zu einer unglücklichen Wortwahl beitragen, sind vorallem die Unterschiede in der Herangehensweise an Probleme kritisch für die Zusammenarbeit.
Hier kann auch der Einsatz interner Mediatoren helfen. Diese – vorzugsweise bilingualen – Personen sollten von beiden Seiten geschätzt werden, da sich so überhitzte Situationen schneller regeln lassen.
Eine weitere vertrauensbildende Maßnahme ist die Bildung von multinationalen Teams insbesondere in wichtigen Bereichen, wie Controlling, strategischem Einkauf und Unternehmensplanung. Dies ermöglicht neben der Kommunikation in Muttersprache an die Aussenstehenden auch eine schnelle Brückenbildung über Fakten. Auch die „italienische" Unternehmensverbundenheit ist nicht zwingend etwas Negatives und kann durchaus zu einer Stärke auch deutscher Unternehmen genutzt werden.
Das gemeinsame (Kennen)Lernen und (Aufeinanderzu)bewegen aber auch das Erkennen von Vorteilen der jeweiligen Unternehmenskultur helfen, dass die Expansion über eigenen Grenzen hinaus nicht zu einem unkalkulierbaren nervenaufreibenden Risiko wird.
Natürlich sind für erfolgreiche Entscheidungen detaillierte Kosten-, Struktur- und Prozessinformationen notwendig. Daher gilt es auch bei italienisch dominierten Unternehmen Potenziale und Bedarfe frühzeitig zu erkennen und erforderliche Maßnahmen zu terminieren und umzusetzen. Jedoch sollte dies einem gesunden Pragmatismus nicht im Wege stehen.
Entscheidend bei der Sicherung der Nachhaltigkeit der Effekte ist auch der Einklang der verschiedenen Unternehmensziele, Visionen und Strukturen. Wir erleben häufig, dass weder die Mitarbeiter noch die Führungsebene eigene Zielsetzungen und strategische Maßnahmen mit den Unternehmenszielen und Reformen abstimmt. Dissonanzen sind dann unvermeidlich und führen nicht selten zu Verschwendung, Doppelarbeit und auch zu Frust.