HR definiert die eigene Rolle neu
HR ist gerade dabei, seine eigene Rolle neu zu definieren. Diese Bemühungen werden zum einen getrieben durch die vielen Diskussionen in Fachzeitschriften und Kongressen. Viel wichtiger ist aber aus meiner Sicht, dass HR inzwischen erkannt hat, dass es schlichtweg um das nackte Überleben geht. Je nachdem, wie gut es HR in Zukunft gelingt, den eigenen Beitrag zur Wertschöpfung plausibel darzustellen, wird HR entweder den lange ersehnten „Platz am Tisch der Entscheider" erhalten oder einen massiven Downgrade erleben. Letztere Option wird schon seit einiger Zeit immer wieder diskutiert und mit der Frage verbunden: Ist der Fachbereich die bessere Personalabteilung?
Vom Verwalter zum Enabler
HR kommt historisch gesehen aus einer reinen Verwalter-Rolle. Mit der Verkündung und Umsetzung des Dave-Ulrich-Modells bekam HR erstmals die Chance, sich zu einem Dienstleister bzw. – wie Ulrich das nennt – zu einem Partner des Business innerhalb der Organisationen zu verändern. Wenn wir uns anschauen, was von diesem Ansatz in den Unternehmen tatsächlich angekommen ist, dann kommen wir nicht umhin, den HR Managern ein rosarotes Selbstbild zu attestieren. Auf den HR Kongressen wird sich weiterhin kräftig auf die Schultern geklopft, während die Führungskräfte im Unternehmen darüber diskutieren, Kernthemen von HR zu übernehmen. Aus meiner Sicht ist es höchste Zeit, an der Reißleine zu ziehen und die eigenen Rollen neu zu definieren.
Drei Rollen für HR
HR muss in der Zukunft drei wesentliche Rollen spielen. Das „Brot-und-Butter"-Geschäft besteht sicherlich weiterhin in einer professionell ausgeübten Dienstleistungsfunktion. Dazu gehören z. B. Recruiting, Compensation & Benefits oder die Entgeltabrechung. Aufbauend auf diesen Basis-Funktionen muss HR möglichst oft und „sichtbar" die Arbeit an strategischen Themen übernehmen. Dabei geht es nicht – wie vielfach angenommen – um die Ableitung einer HR-Strategie aus der Unternehmensstrategie, sondern um die Beeinflussung der Unternehmensstrategie aus Sicht des Personalbereichs. Das ist ein wesentlicher Unterschied und aus meiner Sicht absolut kriegsentscheidend. Nur mit diesem Ansatz kann gewährleistet werden, dass Parameter wie z. B. Ressourcenverfügbarkeit, (arbeits-)rechtliche Rahmenbedingungen oder die interkulturelle Kompetenz der Beteiligten als kritische Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden.
Governance als Chance
Schließlich sehe ich HR in einer Governance-Rolle im Sinne der Überwachung des strategischen und ordnungspolitischen Rahmens. Das ist zwar eine sehr unbequeme Aufgabe, da HR in dieser Rolle Normen und Regeln definieren und für deren Einhaltung sorgen muss, gleichzeitig aber vielleicht auch die größte Chance, endlich eine tragende Rolle zu übernehmen. In der Governance-Funktion handelt HR nämlich im unternehmensstrategischen Auftrag und immer im Kontext persönlicher interaktiver Beziehungen. Das ist eine Aufgabe, die eben nicht so ohne Weiteres in den Fachbereich verlagert werden kann. Die Arbeit mit den Gremien und Arbeitsgruppen zur Sicherstellung und Einhaltung von Standards und Normen ist zeitaufwändig und setzt ein geeignetes Setup sozialer Kompetenzen voraus. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich die Führungskräfte aus den Fachbereichen einer solchen Aufgabe freiwillig stellen würden.
Die Geister, die ich rief ...
Diese Betrachtungen voran gestellt sehe ich HR nicht bloß als Partner/Player in der Personalentwicklung und Organisationsgestaltung, sondern vielmehr in der treibenden Rolle. Der Knackpunkt ist aber nicht die bloße Übernahme der Funktion, sondern die Übertragung der Verantwortlichkeiten auf die richtigen Personen. Die Inkludierung in eine generelle Business-Partner-Rolle ist nicht der richtige Ansatz. Vielmehr gilt es - wie oben beschrieben – die funktionalen, strategischen und normativen Bestandteile der Aufgaben auf die jeweils zuständigen Rolleninhaber zu verteilen. Dafür sind sauber gestaltete HR-Prozesse mit einer Definition der Verantwortlichkeiten, z. B. unter Anwendung einer RACI-Matrix, unabdingbar. Ferner müssen sich die Unternehmenslenker klar darüber sein, dass HR damit eine große Verantwortung bei der Gestaltung der Gesamtstrategie übernimmt – und das auch wollen. Die Frage muss also nicht bottom-up sondern top-down diskutiert und letztendlich auch entschieden werden.
Eine tragfähige Alternative zu diesem Ansatz sehe ich derzeit nicht.